Providerwahl

von
Thomas Heinrich

Ist Ihr Provider der Richtige?

Dumme Frage

Noch vor drei Jahren hätte man die Frage ganz leicht beantworten können. Da gab es noch keinen entfesselten Telekommunikationsmarkt. Wenige und überschaubare Tarife beherrschten die Szene, und wenn man etwas ländlicher wohnte, war sowieso der Ortstarif das einzige Kriterium.

Heute gibt es eine Unzahl von Telefondienstanbietern und noch mehr Internetprovider. Und um die Verwirrung komplett zu machen, arbeiten manche davon auch noch zusammen. Das Resultat ist ein Tarifdschungel, der es dem Internetanschlußsuchenden unglaublich schwer macht, den persönlich günstigsten Provider zu finden. Denn den einen Günstigen, der für alle günstig ist, den gibt es nicht.

Genau deshalb erhalten Sie mit diesem Artikel auch keine Empfehlung für einen bestimmten Provider. Die Tarife ändern sich so schnell, daß eine Berechnung von heute morgen schon wieder falsch wäre. Der richtige Provider ist immer eine individuelle Entscheidung - für die Qualität, die eingesparten Kosten oder die sinnvolle Mischung beider Punkte.

Mit System

Wenn Sie heute einen Provider suchen, sollten Sie sich vorher ganz genaue Vorstellungen davon machen, was Sie brauchen und was nicht. Je genauer Sie Ihre Wünsche kennen, umso weniger Geld werden Sie in den Sand setzen. Dieser Artikel soll Ihnen helfen, einen Überblick über Ihre persönlichen Anforderungen zu bekommen, damit Sie eine Vorstellung davon haben, was Sie bei der Providersuche beachten müssen.

Zuerst einmal brauchen Sie eine Übersicht, welche Provider es eigentlich gibt. Am besten kaufen Sie sich hierzu eine der einschlägigen PC- Zeitschriften, die alle ziemlich regelmäßig große Tests durchführen. Schlagen Sie das Heft vor dem Kauf ruhig einmal auf und sehen Sie nach, ob auch alle Eigenschaften der Zugänge aufgeführt werden, wie angebotene EMail-Protokolle, Einwahlknoten, etc.. Dann können Sie damit auch etwas anfangen.

Dann überlegen Sie sich, mit welchem Computer Sie das Internet benutzen wollen. Einige Amigabesitzer haben auch einen PC, der entweder zusätzlich oder sogar allein als Internetrechner dienen soll. Mit dem PC stehen Ihnen grundsätzlich alle Anbieter offen, auch jene, die keine allgemeinen Standards für ihren Zugang nutzen. Dies ist hauptsächlich bei AOL der Fall, aber auch bei einigen kleineren Anbietern. Sobald Sie für den Zugang vom Anbieter eine besondere Software benötigen, ist für den Amiga Schluß, denn diese Programme sind in keinem Fall für den Amiga erhältlich.

Damit sind noch viele Bewerber im Rennen. Streichen Sie jetzt alle, die nicht zum Ortstarif erreichbar sind, bzw. die Ihre Onlinekosten nicht pauschal übernehmen. Damit wäre die Liste, falls Sie nicht grade in einer Großstadt wohnen, deutlich kürzer. Hören Sie sich auch um, ob eine Telefongesellschaft vielleicht Probleme mit der Erreichbarkeit hat. Ein billiger Zugang nützt Ihnen nichts, wenn immer besetzt ist oder ständig die Verbindung abbricht.

Was ihr wollt

Jetzt kommt der schwierige Teil: Sie müssen festlegen, was Sie wollen. Schreiben Sie ganz detailliert auf, ob Sie eine EMailadresse brauchen, oder vielleicht einen öffentlichen EMaildienst im Netz benutzen wollen. Brauchen Sie einen FTP-Zugang für's Aminet? Haben Sie vor, mittels IRC mit anderen öfter mal ein Schwätzchen zu halten? Wollen Sie Platz für eine eigene Homepage oder reichen Ihnen die kostenlosen Webangebote wie "GeoCities" dafür völlig aus? Legen Sie vielleicht Wert auf eine eigene Domain? Streichen Sie wieder alle Provider, die Ihre Anforderungen nicht erfüllen.

Legen Sie Wert auf einen schnellen Zugang? Auch ein günstiges Angebot wird schnell teuer, wenn Sie auf Webseiten ewig warten müssen. Streichen Sie also auch die Anbieter, deren Geschwindigkeit deutlich zu wünschen übrig läßt. Passen Sie dabei aber auf, daß Sie die Zugangsmethode berücksichtigen: 56K-Modems und ISDN-Zugänge sind nun einmal schneller, als "konventionelle" Modems... Suchen Sie sich hier auch gleich die Provider aus, die möglichst alle Standards unterstützen - falls Sie später zu ISDN wechseln oder irgendwann vielleicht ein Kabelmodem einsetzen wollen.

Nichts ist umsonst

Das ist der Teil, bei dem Sie wirklich knallhart rechnen müssen. Onlinekosten sind eine Wissenschaft für sich, die nicht leicht zu durchschauen ist. Am besten funktioniert es, wenn Sie schon irgendwo online sind und Ihre festen Gewohnheiten haben. Ansonsten versuchen Sie abzuschätzen, wie lange Sie im Monat online sind, und zu welchen Zeiten. Nicht immer ist nämlich die billigste Tageszeit auch die lohnendste. Ist das Netz voll, tröpfeln die Daten trotz HiSpeed-Modem und Eliteprovider nur spärlich, besonders bei Überseeverbindungen. Zur Abschätzung: Mit ISDN-Anschluß und guten 20 Stunden Onlinezeit im Monat zahlte ich bei der Telekom etwa 200 DM. Die Hauptonlinezeit ist dabei das Wochenende mit dem City-Weekend Tarif. Samstag und Sonntag vormittag pennen die Kids noch, müde von der Techno-Disko, das Netz ist frei...

Eine Falle sollten Sie auch noch beachten: Die Zeiten für die Vertragsbindung. Sollten Sie feststellen, daß ein Zugang nicht das hält, was er verspricht, ist eine schnelle Kündigung viel Geld wert. Auch wenn Sie ein noch günstigeres Schnäppchen ausfindig machen, spart eine kurze Kündigungszeit vielleicht viel Geld.

Seien Sie auch vorsichtig mit Kontingenten. Wenn Sie eine festgelegte Maximalübertragungsmenge haben, reißt jede Überschreitung verheerende Löcher in den Geldbeutel. Auch kann es Ihnen passieren, daß der Zugang einfach gekündigt wird, weil Sie mal zu lange online waren. Auf solche Bedingungen im Vertrag müssen Sie immer acht geben, ganz besonders, wenn das Angebot sehr günstig aussieht.

Welche Kosten entstehen

Die billigsten Provider verlangen für den Zugang gar kein kein Geld, sondern blenden einfach Werbung ein. Nach ein paar angesurften Seiten taucht eine Werbeseite auf, nach der man wieder weitersurfen kann. Meistens hat man auch schwerwiegende Einschränkungen, wie z.B. Zugriffe auf Auslandsserver nur zu bestimmten Zeiten, keine EMailadresse, kein FTP-Zugang, ... Zum Antesten und um die eigenen Gewohnheiten herauszufinden, mag das aber genügen.

Normalerweise entstehen vielerlei Kosten: Eine einmalige Anmeldegebühr, eine monatliche Grundgebühr, Onlinekosten pro Sekunde oder Minute und die normalen Telefonkosten.

Die Anmeldegebühr ist futsch. Wenn Sie den Provider gleich wieder wechseln, war das dann ein teurer Spaß. Am besten fahren Sie dann mit einem Anbieter, der keine Anmeldegebühr verlangt.

Die monatliche Grundgebühr sollte gering sein, wenn Sie wenig online sind. So zahlen Sie vielleicht mehr für die Stunde, aber die geringe Stundenzahl wiegt den Mehrpreis einer höheren Grundgebühr u.U. wieder auf.

Die Onlinekosten sollten niedrig sein, wenn Sie viel online sind. Eine höhere Grundgebühr schlägt dann nicht so zu, wie ein kräftiger Minutenpreis.

Die Telefonkosten sind abhängig vom Provider. Die meisten haben den Telekomtarif und man profitiert hier automatisch von Preissenkungen. Ein paar Anbieter übernehmen auch die Telefonkosten und rechnen die in die Onlinekosten mit ein. Hier muß man besonders aufmerksam vergleichen und versuchen, die Kosten für seinen ganz speziellen Fall getrennt herauszurechnen, um objektiv vergleichen zu können.

Der Fall am Beispiel

Ein (nicht ganz) fiktives Beispiel, ohne Anmeldegebühr, da die sich mit der Zeit verdünnisiert.

Telefongebühr immer zum günstigsten Telefon-, bzw. Onlinetarif:

Illustration

Sind Sie ein Wenigsurfer mit 5 Stunden pro Monat, zahlen Sie bei:

Provider 1: 8 DM + 3h * 60min * 0,05 DM + 5h * 1,80 DM = 26,00 DM
Provider 2: 29 DM + 0 + 5h * 1,80 DM = 38,00 DM
Provider 3: 19,90 DM + 2h * 60min * 0,05 DM + 0 = 25,90 DM

Sind Sie ein Normalsurfer mit 15 Stunden pro Monat, zahlen Sie bei:

Provider 1: 8 DM + 13h * 60min * 0,05 DM + 15h * 1,80 DM = 74,00 DM
Provider 2: 29 DM + 0 + 15h * 1,80 DM = 56,00 DM
Provider 3: 19,90 DM + 12h * 60min * 0,05 DM + 0 = 55,90 DM

Somit wäre der teuerste Provider bei 5 Stunden/Monat jetzt schon fast der billigste! Und einer der billigen entpuppt sich als der teuerste!

Sind Sie ein Vielsurfer mit 30 Stunden pro Monat, zahlen Sie bei:

Provider 1: 8 DM + 28h * 60min * 0,05 DM + 30h * 1,80 DM = 146,00 DM
Provider 2: 29 DM + 0 + 30h * 1,80 DM = 83,00 DM
Provider 3: 19,90 DM + 27h * 60min * 0,05 DM + 0 = 100,90 DM

So richtig kompliziert wird das Ganze, wenn noch die Abrechnungstakte unterschiedlich sind, z.B. sekundengenau und minutengenau. Sehr leicht schleichen sich dann Rechenfehler ein.

Wenn Sie die Rechnungen für jeden Provider, der übriggeblieben ist, durchführen und in ein Schaubild übertragen, können Sie ablesen, wann ein Anbieter sich für Ihre Anforderungen lohnt. Im vorliegenden Beispiel ist Provider 1 bis 5 Onlinestunden/Monat am günstigsten, Provider 3 ab 5 bis 15 Onlinestunden/Monat und Provider 2 ab 15 Onlinestunden/Monat.

Fazit

Vergleichen Sie sehr genau und rechnen Sie immer Ihr eigenes Beispiel durch. Irgendwelche Pauschalaussagen, wie "günstigster Onlinetarif", sind vielleicht an sich nicht falsch, aber für Ihren Anwendungsfall mit größter Wahrscheinlichkeit schon. Prüfen Sie auch nach Vertragsabschluß immer wieder die Tarife und, viel wichtiger, Ihre Ansprüche an den Zugang. Diese werden sich mit Sicherheit auch ändern. Bleiben Sie nicht aus Gewohnheit bei einem Provider, spielen Sie sie gegeneinander aus. Die machen das mit Ihnen genauso. Aber verfangen Sie sich dabei nicht in den Gebührenfallen!


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